Thüringer Weinlieder


Thüringer Weinlieder


Erfurter Weinlied

Aus Cl. Liebeskind: Der Weinbau in den Ortschaften des ehemaligen Erfurter Gebietes in früherer Zeit, Hopfgarten 1912



1. Von vielen wird der Rheinwein hoch erhoben,
s' ist auch ein schöner Wein;
Doch darf ich auch wohl meinen Landsmann loben,
Erfurter edlen Wein.

2. Freund Asmus singt: „Thüringens Berge bringen
Gewächs, sieht aus wie Wein.“ –
Ihm aber schenkte man, dabei zu singen,
nur Jen'schen Krätzer ein.

3. Ha, sollt' ich ihn, den lieben Sänger, sehen
in meiner Vaterstadt,
mit ihm würd' ich zu manchem Freunde gehen,
der Mutterfäßchen hat.

4. Ihn ließ er sicher nicht im Glas verdunsten,
er zechte, schlürfte tief.
Ich ruhte nicht, bis er zu unseren Gunsten
die Verse widerrief.

5. Ja, hätt' er nur – er würde gern ihn nehmen –
ein Stückfaß je geerbt.
Prahlt er schon nicht, wie der im großen Bremen,
mit Heidelbeer' gefärbt,

6. so gut, als wie sein Nachbar an der Saale
bei Naumburg ist auch er.
Versetzt mit Kirschessenz, als Weinkaltschale
mit Zwieback, Zimt, Erdbeer


7. und Zucker angemacht und aufgetragen,
gibt er ein trefflich Mahl,
und wird gewiß dem lieben Gast behagen
so wie in dem Pokal.

8. Fragst, Fremdling, du: „Wo wachsen diese Reben?"
So sieh nur um dich, Freund!
Von Nebenbergen ist die Stadt umgeben,
wohin die Sonne scheint.


9. Ich nenne dir nur kürzlich zum Exempel
den Katz- und Rothenberg.
Die Daberstädter bauten ihren Tempel
auf einen Rebenberg.


10. Sankt Cyriax birgt seine Invaliden
vor aller Lebensmüh',
und unter ihm stärkt sein Gewächs die Müden
bald und erheitert sie.


11. Das Borntal gibt nebst einer Silberquelle
auch geist'gen Labetrank.
Freund Bacchus und sein lustiger Geselle
beginnt dort manchen Schwank.


12. Am Stollberg hängt man nicht mehr arme Sünder
aus Gram und Grillen hin;
kein Rabe krächzt; des Bacchus Lieblingskinder
sehn hier den Weinstock blühn.


13. Bei Tiefthal schlingen sich die edlen Ranken
des Weinstocks um den Pfahl;
vom Traubensaft-Genuss entflieht dem Kranken
die Welt als Jammerthal.


14. Die Schwellenburg – man sieht sie schon von weitem –
wo das Kaninchen heckt,
gibt Wein, der Traum, zu allen Tageszeiten
dem Gaumen lieblich schmeckt.


15. Walschleben, Mölsen, Ollendorf, Hopfgarten,
Schwerborn, Zimmern infra,
Töttleben, Marbach liefert manche Arten
von Wein, wie Witterda.

16. Großvarguls, Dachwigs, Vippachs Berge geben
nur wenig guten Wein;
allein man pflegt hier spärlich diese Reben.
Kleinbrembachs Berg ist klein.


17. Da, wo die Winzer nicht den Berg behacken,
nichts von der Kelter fleußt,
wächst Korn und Weizen, Zwieback aus zu backen,
den man zum Wein verspeist.


18. Ist unser Wein kein Muskat, kein Burgunder,
Liebfrauen-Milch und -Stein,
so trinken wir und sind gesund und munter,
ein Glas Erfurter Wein.


19. Denn ach, der Rhein, kehrt hämisch seinen Rücken
uns zu, sein Weingesicht
den Fremden hin; wir sehn's mit trüben Blicken,
allein wir grollen nicht.