Wolfgang Müller: Rheinfahrt


Rheinfahrt

Wolfgang Müller von Königswinter
Quelle: Rheinfahrt. Ein Gedicht. Frankfurt a. M.: Literarische Anstalt (J. Rütten), 1846, Auszug XIX. Gesang, 207-208

Caspar Scheuren: Lustige Rheinfahrt, im Hintergrund der Drachenfels, Gemälde 1839


Ihr Siebenberge nehmt des Dichters Gruß,
Ihr stolzen, schöngeformten, mächt'gen Kuppen!
Dir wäscht der Strom noch immerfort den Fuß,
O Drachenfels im Kleid von Felsenschuppen!
Der Wolkenburg gebrochner Kegel ragt
Mit stein'gem Helm aus grünen Bergesgruppen,
Der Stromberg, drauf ein Kirchlein betend zagt,
Dehnt sich zur Seite; die Genossen höhnet
Der Aulberg, der das Haupt am höchsten wagt;
Die Löwenburg steht breit und waldgekrönet.

Die andern, minder kühn hinausgereckt,
Erheben ihre Scheitel in der Reihe,
Und des Gebirges prächt'ge Schau erstreckt
Sich weit ins Land, das steile wie das freie.
Das Rheingebirge, das sich hier beschließt,
In diesen Formen trägts die höchste Weihe!
Wer gern des Stromes schönsten Reiz genießt,
Kommt, freie goldne Tage hier zu bleiben,
Wo hold im Anschaun schon die Zeit verfließt: 
Hier könnt ihr recht ein süßes Nichtsthun treiben!

Es ist die Löwenburg, die ich erstieg,
Die stets das liebste Ziel von meinen Gänge»;
Ob allen Bergen feiert sie den Sieg
Mit Wäldern, Wiesenplätzen, Felsenhängen.
Auf dem gebrochnen Thurme, der sie schmückt
Hoch über Buchenwipfeln, Vogelsängen,
Setz ich mich hin, im tiefsten Geist entzückt.
Tief unter mir des Laubwerks grüne Wogen,
Und Thal und Ebnen, fruchtbar, reich, beglückt;
Doch über mir von Adlern nur umflogen!

Und thal- und hügelwogend liegt das Land 
Nach Süden hin, soweit die Blicke gleiten,
Bergketten ringsum heben sich am Rand
Des Horizonts in fernen blauen Weiten.
Nach Norden schweift das Auge unbegränzt
Fort zu der Ebne sonnigen Gebreiten,
Durch die ein Silberband, das leuchtend glänzt,
Der Rhein in Majestät hinwälzt die Wogen,
Von menschenreichen Orten rings gekränzt,
Von weißen Segelschiffen stets durchzogen.